Die zugelassenen Vereine – Gesetze – Hinweise. Die Tierschutz-Verbandsklage im Vergleich der Bundesländer

Die Tierschutzvereine mit staatlicher Anerkennung, die Klagearten und Gesetzestexte der einzelnen Bundesländer

Gesetz-Tierschutz-VerbandsklageBereits sieben Bundesländer ermöglichen Tierschutzverbandsklagen. Niedersachsen wird als achtes Land hinzukommen. Der folgende Text ist eine vertiefende Aufstellung zu den Grundlagen und Möglichkeiten der Tierschutzverbandsklage in den jeweiligen Bundesländern (Landesrecht). Die Bundesländer sind in alphabetischer Reihenfolge angeordnet.
Nachfolgend finden Sie u. a.:

  • eine Zusammenstellung der im jeweiligen Bundesland zur Verbandsklage zugelassenen Tierschutzvereine (Anerkennung als zugelassener Verein). Diese Tierschutzvereine können im betroffenen Bundesland die Informations-, Akteneinsichts-, Mitwirkungs- und Klagemöglichkeiten nutzen.
  • die Information, welche Klagearten jeweils konkret möglich sind (Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage und/oder Feststellungsklage). Zu den Unterschieden dieser Klagearten siehe hier.
  • die Links zu den Gesetzestexten (Landesrecht) sowie
  • weitere Hinweise.

Baden-Württemberg

  • Name des Gesetzes: Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen (TierSchMVG)
  • Inkrafttreten des Gesetzes: 12. Mai 2015
  • Gesetzestext: Siehe hier
  • Ermöglichte Klagearten: Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage und Feststellungsklage (Einschränkung: Bei Tierversuchen nur Feststellungsklage)
  • Zugelassene Tierschutzvereine (Anerkennung): Derzeit ist in Baden-Württemberg noch kein Verein zur Tierschutz-Verbandsklage zugelassen. Bisher haben 5 Tierschutzvereine einen Antrag auf Zulassung gestellt. Diese erhielten vom Ministerium für den Ländlichen Raum (MLR) den Zwischenbescheid, dass das Ministerium nach Erlass einer Durchführungsverordnung für das Verbandsklagegesetz über die Anträge entscheiden wird. Diese Durchführungsverordnung (DVO TierSchMVG) wurde erst nach der Landtagswahl vom 13. März 2016 unter der Regierung der neuen Koalition (Grüne/CDU) mit dem neuen Koalitionspartner CDU am 8. Juli 2016 in Kraft gesetzt. Die DVO regelt u. a. die Anforderungen für eine Zulassung der Tierschutzvereine zur Verbandsklage (sogen. Anerkennung). Diese Anforderungen, die erst nach der Landtagswahl unter der neuen Regierungskoalition in Baden-Württemberg unter erstmaliger Beteiligung der CDU aufgestellt wurden, sind – offenbar sehr gezielt – so ausgestaltet, daß letztlich nur sehr wenige Tierschutzvereine die Zulassung zur Verbandsklage in Baden-Württemberg erhalten können (vgl. § 3 DVO TierSchMVG). Dementsprechend gab es berechtigte Kritik der Tierschutzvereine. Welche Tierschutzvereine überhaupt eine Anerkennung für die Klagemöglichkeit erhalten werden, bleibt abzuwarten. (Stand: August 2016)

Über die neuen (rechtlichen) Möglichkeiten des Tierschutz-Verbandsklagegesetzes in Baden-Württemberg orientiert Dr. Christoph Maisack mit seinem Vortrag „Das neue Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen (TierSchMVG)“ – auch unter Einbeziehung des Tierschutzalltags (2015).

Hinweis: In Baden-Württemberg haben im Jahr 2015 acht Tierschutzvereine ein „Gemeinsames Büro Tierschutzmitwirkungsrechte Baden-Württemberg e.V.gegründet mit Sitz in Stuttgart. Ziel dieses Büros ist es, zukünftig die Verbandsklage-Tätigkeiten der einzelnen Tierschutzvereine zu koordinieren und zu bündeln. Dieses Büro ist zur Zeit noch im Aufbau begriffen. Ansprechpartner hierfür sind derzeit: Landestierschutzverband Baden-Württemberg (Kontakt: landestierschutzverband-bw@t-online.de) und Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg (Kontakt: info@tierrechte-bw.de) (Stand: Mai 2016)

Bremen

  • Name des Gesetzes: Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine (TSVbklG)
  • Inkrafttreten des Gesetzes: 25. September 2007 (erstes Bundesland mit Tierschutz-Verbandsklage)
  • Gesetzestext: Siehe hier
  • Ermöglichte Klagearten: Nur Feststellungsklage
  • Zugelassene Tierschutzvereine (Anerkennung): 1.) Bremer Tierschutzverein e.V. (= Landesverband Bremen des Deutschen Tierschutzbundes) (Kontakt: info@bremer-tierschutzverein.de), 2.) Deutscher Tierschutzbund e. V. (Bundesverband) (Kontakt Bundesgeschäftsstelle: bg@tierschutzbund.de)

Hamburg

  • Name des Gesetzes: Hamburgisches Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine (Hamburgisches Tierschutzverbandsklagegesetz) (HmbTierSchVKG)
  • Inkrafttreten des Gesetzes: 21. Mai 2013
  • Gesetzestext: Siehe hier
  • Ermöglichte Klagearten: Nur Feststellungsklage
  • Zugelassener Tierschutzverein (Anerkennung): Hamburger Tierschutzverein e.V. (= Landesverband Hamburg des Deutschen Tierschutzbundes) (Kontakt: kontakt@hamburger-tierschutzverein.de). Zugelassen ist in Hamburg derzeit ausschließlich der o. g.  Verein, Anträge von weiteren Vereinen liegen nicht vor. (Stand: Mai 2016)

Niedersachsen

Die Tierschutz-Verbandsklage ist für das Land Niedersachsen zur Zeit konkret in Vorbereitung. Vorgesehene Arten der Klage: Geplant ist bisher nur die Feststellungsklage. Den aktuellen niedersächsischen Gesetzentwurf finden Sie hier. (Stand: Mai 2016)

Nordrhein-Westfalen (NRW)

Zusätzlich sei verwiesen auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4291 zu anerkannten Naturschutz- und Tierschutzvereinen. Hieraus ergibt sich u. a., welche Tierschutzvereine 2014 in NRW trotz Antrages nicht anerkannt wurden und aus welchen Gründen (Antwort Nr. 4.b).

Hinweis: In Nordrhein-Westfalen haben sieben der insgesamt neun zugelassenen Vereine ein gemeinsames  Landesbüro Verbandsklagerecht anerkannter Tierschutzverbände in NRW“ eingerichtet mit Sitz in Düsseldorf. Ziel dieses Büros ist es, die Verbandsklage-Tätigkeiten der einzelnen Tierschutzvereine in NRW zu koordinieren und zu bündeln. Dieses Landesbüro ist unter der Rufnummer (0211) 54 47 07 914 sowie per E-Mail unter info@tierschutzverbandsklage-nrw.de erreichbar. Auf der Homepage des Landesbüros sind auch die wichtigsten für die Tierschutzverbandsklage einschlägigen Erlasse der Landesministerien in NRW verlinkt. (Stand Mai 2016).

Hinzuweisen ist auch auf den umfangreichen Fachvortrag von Ministerialrat Michael Hülsenbusch aus dem zuständigen Umweltministerium in Düsseldorf zum Thema Verbandsklage und Tierversuche: „Rechtliche und praktische Umsetzung des TierschutzVMG NRW in Tierversuchsgenehmigungsverfahren“. Dieses Referat trifft analog im Wesentlichen auch für die anderen hier genannten Bundesländer zu.

Rheinland-Pfalz

  • Name des Gesetzes: Landesgesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine (TierSchLMVG)
  • Inkrafttreten des Gesetzes: 3. April 2014
  • Gesetzestext: Siehe hier
  • Ermöglichte Klagearten: Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage und Feststellungsklage (Einschränkung: Bei Tierversuchen nur Feststellungsklage)
  • Zugelassene Tierschutzvereine (Anerkennung): 1.) Landesverband Rheinland-Pfalz des Deutschen Tierschutzbundes (Kontakt: info@tierschutz-rlp.de), 2.) Menschen für Tierrechte – Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz (= Landesverband Rheinland-Pfalz von Menschen für Tierrechte) (Kontakt: Baumgartl@tierrechte.de) sowie 3.) der Landesverband Rheinland-Pfalz des BUND (der sich nicht nur für den Naturschutz, sondern auch für Tierschutz einsetzt) (Kontakt: info@bund-rlp.de oder monika-arnold@gmx.net). (Stand Mai 2016)

Saarland

  • Name des Gesetzes: Gesetz über das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände (Tierschutzverbandsklagegesetz) (TSVKG)
  • Inkrafttreten des Gesetzes: 26. Juni 2013
  • Gesetzestext: Siehe hier
  • Ermöglichte Klagearten: Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage und Feststellungsklage (Einschränkung: Bei Tierversuchen nur Feststellungsklage)
  • Zugelassene Tierschutzvereine (Anerkennung): 1.) Deutscher Tierschutzbund – Landesverband Saar e.V. (Kontakt: info@tierschutzbund-saar.de); 2.) Verein der Tierversuchsgegner Saar e.V. (= Landesverband von Menschen für Tierrechte) (so Stand bei der Anerkennung des Vereins im November 2013), ab Januar 2016 führt der Verein durch Umbenennung die Bezeichnung Tierbefreiungsoffensive Saar e.V. (Kontakt: info@tierbefreiungsoffensive-saar.de); 3.) Tierschutzstiftung Saar (Kontakt: tierschutzstiftung@web.de oder barbaraxbest@yahoo.de), 4.) Tierärztekammer des Saarlandes (Kontakt: tieraerztekammer@t-online.de), 5.) WITAS e.V. (Kontakt: info@witas.eu). (Stand Mai 2016)

Schleswig-Holstein

  • Name des Gesetzes: Gesetz zum Tierschutz-Verbandsklagerecht Schleswig-Holstein (SchlHTierSVbKlG)
  • Inkrafttreten des Gesetzes: 22. Januar 2015
  • Gesetzestext: Siehe hier
  • Ermöglichte Klagearten: Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage und Feststellungsklage (Einschränkung: Bei Tierversuchen nur Feststellungsklage)
  • Zugelassene Tierschutzvereine (Anerkennung): Zwei Vereine haben die Anerkennung nach dem Tierschutz-Verbandsklagerecht beantragt. Die Anerkennung befindet sich im Verwaltungsverfahren. Vgl. die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 18/3913 im Kieler Landtag. (Stand 08. März 2016)
    Aktualisierung: Inzwischen ist folgender Verein anerkannt und damit zur Tierschutz-Verbandsklage in Schleswig-Holstein zugelassen: PROHVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V., Küterstr. 7-9, 24103 Kiel, Internet: www.provieh.de, E-Mail: info@provieh.de.
    (Stand: 21. Juni 2016)

Stand: Mai 2016
Text und Bild: Dr. Hilmar Tilgner

Schafe und Lämmer: Einführung in das Thema Tierschutz

Schafe – Hinweise für den Tierschutz

Neugeborenes Lamm. Kältetod auf Dauerfrostboden im Winter.Sogar gravierende Tierschutzmängel in der Schafhaltung werden von Beobachtern oftmals nicht erkannt. Denn Schafe leiden still. Trotz teils erheblicher Leiden geben sie in der Regel keine eindeutigen Schmerz- oder Leidenslaute von sich. Die auf unserer Homepage zusammengestellten Texte zum Thema Schafhaltung sollen daher eine erste Orientierung für den Tierschutz geben, damit den betroffenen Tieren geholfen werden kann. (Links im Bild: Neugeborenes Lamm, noch mit Nabelschnur, im Winter bei – 7 °C auf Dauerfrostboden verendet: Kältetod durch Untertemperatur. Vergrößerung durch Klick auf das Bild. Zum Thema Winterlammung siehe unten im Text.)

Ein zentraler Text für eine erste Information ist unser Beitrag „Häufige Tierschutzprobleme in der Schafhaltung – Ein Überblick“ (PDF, z. Z. in Vorbereitung). Hier werden in knapper Form die wichtigsten Tierschutzdefizite in der Schafhaltung angesprochen. Dieser Text kann als PDF heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Die wichtigsten Vorschriften, Leitlinien und rechtlich bindenden Spezialbestimmungen für die Schafhaltung finden Sie hier.

Wegen der für Schafe besonders belastenden Situation in der sommerlichen Hitze („Hitzestress“) und zum Thema Schafschur sowie Wasserbedarf sei verwiesen auf unsere Pressemitteilung „Sommerhitze: Schafe leiden – Generell Schatten und Wasser erforderlich“ (PDF). Diese Pressemitteilung ist leider in jedem Jahr wieder aufs Neue aktuell, weil es im Hochsommer immer wieder grobe Tierschutzverstöße gibt.

Schaf-ModerhinkeDer Fachartikel „Moderhinke“ (PDF) behandelt die hochgradig schmerzhafte Klauenerkrankung gleichen Namens, die leider außerordentlich weit verbreitet ist. Die erkrankten Schafe humpeln und „knien“ beim Fressen auf den Gelenken der Vorderläufe, um die Klauen von den hochgradigen Schmerzen zu entlasten (vgl. Foto). Bei dieser infektiösen Erkrankung bilden sich u. a. Eiterherde an den Klauen. Das führt bei den erkrankten Schafen bei jedem Schritt zu massiven Schmerzen an den Klauen. Moderhinke ist zudem hochgradig ansteckend, wobei die Erreger über den Boden übertragen werden. Teilweise laufen diese Tiere aufgrund der extremen Schmerzen auf 3 Beinen. Durch das häufig zu beobachtende Mittreiben der schmerzbelasteten, humpelnden Schafe in der Herde werden die Leiden noch verstärkt. Dies ist massiv tierschutzwidrig. Diese Klauenerkrankung kann erfolgreich behandelt werden, was jedoch leider sehr häufig unterbleibt. Hier ist es Aufgabe des Tierschutzes, für die Tiere helfend einzugreifen.

Lamm-Winter-KomatösZum tierschutzrechtlichen Fachartikel „Winterlammung und Kältetod neugeborener Lämmer“ (PDF): Man sieht immer wieder, dass nur wenige Wochen alte Lämmer und sogar neugeborene Lämmer – von der Geburt noch nass – im Winter bei eisigen Minusgraden und Schnee sowie ohne den vorgeschriebenen Witterungsschutz in den Herden zusammen mit den Schafen im Freien gehalten werden. Die typische, erst noch ganz dünne Bewollung der Lämmer reicht nicht aus, um die Jungtiere gegen die winterliche Kälte zu schützen. Bei Lämmern, die im Freien bei unter dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen geboren werden, kommt es zu starker Auskühlung des Körpers. »Die Folge dieser Hypothermie ist der Exitus« (Prof. Heinrich Behrens 1991). Die Todesraten bei jungen Sauglämmern liegen in dieser Situation je nach Witterung bei 30 bis 50 Prozent. Auch wenn die Lämmer im Frost überleben, leiden sie erheblich. Diese Winterweidehaltung von jungen Lämmern bei Temperaturen unter 0 °C im Freien ist daher grob tierschutzwidrig (vgl. Foto: komatöses Lamm bei -6 °C mit Untertemperatur und noch mit Blutspuren von der Geburt). Der o. g. Fachartikel Winterlammung und Kältetod neugeborener Lämmer(PDF)  erläutert auch die rechtlichen Grundlagen und Vorschriften sowie die juristischen Handhaben für Tierschützer gegen diese tierschutzwidrigen Missstände im Winter. In manchen Bundesländern gibt es in jedem Winter eine hohe Zahl von Verstößen.

Die gleichen Positionen zur Lammung im Winter vertreten zum Beispiel die Landwirtschaftsministerien in mindestens 10 Bundesländern und eine Vielzahl von Gerichten (dazu siehe den o. g. Fachartikel mit Details), außerdem z. B. der Tierschutzbeirat Rheinland-Pfalz, der Tierschutzbeirat Baden-Württemberg und der Landestierschutzbund Baden-Württemberg mit seiner Pressemitteilung  „Lämmern droht im Winter der Tod durch Erfrieren“.

Tierschutzforderung ist: Verlegung der Lammzeit in das wärmere Frühjahr oder – falls doch Ablammung im Winter: Geburten im Stall. Junge Lämmer, die bei Frost im Freien stehen, müssen unverzüglich zusammen mit ihren Mutterschafen aufgestallt werden.

Schaf-tot-WinterEin Praxisbericht aus dem Tierschutz bei Schafherden: „Massive Tierquälerei: Tote, abgemagerte und lahmende Schafe“ (PDF). Zu vergleichen ist auch der Artikel „Schafe verhungert, abgemagert, lahm“. Es geht dabei um den langjährigen Tierschutzfall einer großen Schäferei im Hunsrück, wobei es auch in jüngerer Vergangenheit noch grobe Tierschutzverstöße gab. Hätte es die Tierschutz-Verbandsklage bei Beginn meiner Tierschutzarbeit schon gegeben, so wäre der Betrieb schon lange stillgelegt. Der Beitrag ist ein Argument für die Tierschutz-Verbandsklage und so auf neue Weise aktuell. (Im Bild: Verendetes Mutterschaf auf der Winterweide, die Spuren des Todeskampfes sind noch im Schnee erkennbar. Vergrößerung durch Klick auf das Bild.)

Text und Bilder: Dr. Hilmar Tilgner

Schafe: Tierschutz und Recht

Tierschutz in der Schafhaltung: Geltendes Recht – Bindende Leitlinien und Bestimmungen

PantherMedia B18588769Im Folgenden soll für das Thema Schafhaltung und Lämmeraufzucht ein kurzer Überblick über die einschlägigen tierschutzrechtlichen Bestimmungen und Vorschriften gegeben werden.

Selbstverständlich sind hier an erster Stelle die Regelungen des Tierschutzgesetzes (TierSchG) zu nennen, wobei dort insbesondere auf folgende Bestimmungen hinzuweisen ist:

§ 2 (Erfordernis artgerechter Haltung), § 17 (Straftatbestand Tierquälerei), § 18 (Tatbestand Ordnungswidrigkeit) und § 16a (Anordnungsbefugnisse der Veterinärbehörden). Insbesondere § 2 des Tierschutzgesetzes (Artgerechte Haltung) bedarf auch bei Schafen einer genaueren Auslegung und Konkretisierung. Dazu wird von Behörden und Gerichten auf die folgenden Bestimmungen und Leitlinien zurückgegriffen:

Hinzuweisen ist zunächst auf die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV). Der allgemeine Teil (§§ 1 bis 4) hat auch für Schafe Geltung und ist bindendes Recht.

Auch die Europaratsempfehlungen Schafe (1992) sind bindendes Recht, wenngleich mit teils sehr vagen Formulierungen. Einige Textabschnitte sind aber konkret anwendbar. Die Europaratsempfehlungen legen nur Mindeststandards fest. Es gelten immer die in konkreten Einzelfall strengsten Empfehlungen und Leitlinien. Soweit also die sich aus § 2 TierSchG ergebenden Gebote und Verbote darüber hinausgehen, geht das Tierschutzgesetz vor (z. B. bei TVT-Merkblättern, siehe unten). (Hirt/Maisack/Moritz, Kommentar zum Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 2 RdNr 53, S. 144-145; ebd. Einführung, RdNr 31 und 33, S. 18-19).

Darüber hinaus werden zur Beurteilung der Frage, was bei einer  Schafhaltung Mindeststandard sein muß, von den Behörden und Gerichten zur Konkretisierung der Haltungsanforderungen verschiedene Leitlinien und Empfehlungen herangezogen. Die sogenannten »Merkblätter« der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) oder auch die sogenannten »Niedersächsischen Empfehlungen« wurden zudem in einigen Bundesländern auf Erlassebene für die Veterinärbehörden verbindlich gemacht. Im einzelnen gilt folgendes:

Eine weithin anerkannte und ganz ausgezeichnete Leitlinie bei der Beurteilung von Schafhaltungen sind die sogenannten »Niedersächsischen Empfehlungen« (= »Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen« des LAVES in Niedersachsen, aktuelle Fassung von 2009). Diese Leitlinien wurden von einem umfangreichen Expertengremium ausgearbeitet. Verschiedene Verwaltungsgerichte haben diese Leitlinien als sogenanntes »antizipiertes Sachverständigengutachten« anerkannt (z. B. Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 3. März 2010, Az. 11 A 726/09, m.w.N., (Fundstelle: https://openjur.de/u/325216.html); Verwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 25.3.2004, Az. 2 A 1624/00; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. Juli 2012, Az. 9 ZB 10.3169 (Anwendbarkeit bestätigt, Fundstelle: juris und openJur 2012, 128296, http://openjur.de/u/541914.html)).

In Niedersachsen sind die o. g. »Empfehlungen für die ganzjährige und saisonale Weidehaltung von Schafen« (1992, 3. Auf. 2009) seit 6.12.1996 per Erlass in Geltung gesetzt, Az. 108-42 507/06-12, dieser wiederholt am 25.05.2009, Az. 204.1-42507/06-25; dadurch besteht eine richtliniengeleitete Selbstbindung der Behörden (Kopien der Erlasse beim Verfasser). Durch diese Erlasse sind die zuständigen Veterinärbehörden zwingend an den Inhalt der »Empfehlungen« gebunden, die dadurch zu verbindlichen Leitlinien werden.

Darüber hinaus wurden auch durch das Hessische Landwirtschaftsministerium (HMUKLV) die niedersächsischen Empfehlungen im Rahmen der Qualitätsmanagementregelungen (QM) für Hessen zur Konkretisierung von § 2 Tierschutzgesetz in Geltung gesetzt. Dadurch besteht auch in Hessen eine entsprechende richtliniengeleitete Selbstbindung der Behörden. Durch diese QM-Regelungen sind in Hessen die zuständigen Veterinärbehörden zwingend an den Inhalt der »Empfehlungen« gebunden, die dadurch auch in Hessen zu verbindlichen Leitlinien werden.

Anm.: Auf dieser Grundlage sind in Hessen bereits Schafherden beschlagnahmt worden, weil die Schafhalter die Tierschutzauflagen bei der Winterlammung nicht eingehalten hatten.

Auch in anderen Bundesländern sind die Niedersächsischen Empfehlungen durch QM-Regelungen für die Behörden verbindlich gemacht worden (Qualitätsmanagement).

In Baden-Württemberg sind die vom Landesbeirat für Tierschutz von Baden-Württemberg unter Mitwirkung des Landwirtschaftsministeriums erarbeiteten und 2008 veröffentlichten »Empfehlungen zur Wanderschafhaltung« sowie »Empfehlungen zur Koppelschafhaltung« bereits 2008 durch das Landwirtschaftsministerium als QM-Schreiben an die Veterinärbehörden gegangen (Qualitätsmanagement). Diese QM-Dokumente sind für die zuständigen Behörden (Veterinärämter) zwingend verbindlich. Dadurch besteht eine richtliniengeleitete Selbstbindung der Behörden, so daß die Empfehlungen zu Leitlinien werden.

Zu den rechtlichen Handhaben für Tierschützer insbesondere gegen die Missstände bei der Winterlammung und der Weidehaltung im Winter gehört namentlich das TVT-Merkblatt 91 (= Merkblatt 91 der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, aktuelle Fassung von 2006) mit dem Titel »Hinweise für die Wanderschafhaltung in der kalten Jahreszeit«. Das Merkblatt gilt auch für die Koppelschafhaltung. In vielen Bundesländern ist dieses Merkblatt zum Schutz der Schafe und Lämmer bei Freilandhaltung im Winter durch die Ministerien für die Veterinärbehörden und Amtstierärzte zu einer rechtlich streng verbindlichen Vorgabe gemacht worden (als Verwaltungsvorschrift oder auf Erlaßebene): Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Saarland, entsprechende Bestimmungen in Hessen und Niedersachsen (jeweils Niedersächsische Empfehlungen, s. o.) und Baden-Württemberg (dortige Empfehlungen des Tierschutzbeirates, s. o.). In diesen Bundesländern werden diese „Hinweise“ für die Veterinärbehörden zu zwingend anzuwendendem Recht – und zwar nicht nur bei der Wanderschafhaltung, sondern auch bei der Koppelschafhaltung. Verschiedene Verwaltungsgerichte haben die Anwendbarkeit des TVT-Merkblattes 91 bestätigt (vgl. z. B. Verwaltungsgericht Ansbach, Bescheid vom 15. Oktober 2012, Az. AN 10 K 11.02174, Fundstelle: https://openjur.de/u/554463.html; oder Verwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 7. April 2006, Az. 2 L 430/06.KO oder Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 1. Februar 2012, Az. 9 CS 12.87, Anwendbarkeit bestätigt, Fundstelle: openJur 2012, 120723, Fundstelle: http://openjur.de/u/496282.html).

Vgl. dazu ferner eingehend den Fachaufsatz »Winterlammung und Kältetod neugeborener Lämmer“ mit den weiteren Details sowie der Rechtsprechung.

Gleichzeitig verweise ich auf unsere Website zur Tierschutz-Verbandsklage.

Hinweise auf wichtige Problempunkte im Tierschutz bei Schafen finden Sie hier.

Text: Dr. Hilmar Tilgner
Bild: PantherMedia / Klanneke